mit Morgane Ferru sprach Jelena Susac
Morgane Ferru ist freischaffende Schauspielerin mit Arbeitsschwerpunkt Film. Sie ist in Zürich geboren und aufgewachsen und hat 2009 am LG Rämibühl die Matura abgelegt. Ab 2010 studierte sie an der Otto Falckenberg Schule, einer Schauspielschule in München. Heute lebt Morgane Ferru in Berlin.
Im Kino ist sie zurzeit in der Hauptrolle des Eröffnungsfilms des Zürcher Filmfestivals Und morgen seid ihr tot von Michael Steiner zu sehen.
Wann warst du zum letzten Mal am Literargymnasium?
Das war zum letzten Mal Anfang Oktober, als ich anlässlich des Zürcher Filmfestivals zugegen war. Ich habe mich mit David Diehl für das Fotoshooting oben auf der Dachterrasse getroffen. Das war schön. Es war einfach anders als früher. Die Bibliothek ist an einem anderen Ort; wenn man reinkommt ins Gebäude, sieht es anders aus. Mein Vater wohnt in der Nähe des Kunsthauses, und wenn ich in Zürich bin, spaziere ich gerne über den Pausenhof des LG.
Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du wieder im Schulhaus warst? Sind da Erinnerungen hochgekommen?
Es sind auf jeden Fall Erinnerungen hochgekommen. Mein Blick ging gleich nach links zum Korridor, wo früher der Geographieunterricht stattgefunden hat. Da musste ich an die Steinsammlung denken, die fand ich sehr schön. Viele schöne Erinnerungen kamen hoch. Ich habe im Allgemeinen gute Erinnerungen an die Schulzeit.
Natürlich habe ich auch an die AG Theater und die Aula gedacht. Dort habe ich mit Theaterspielen angefangen. Das waren in etwa meine schauspielerischen Anfänge.
Wer warst du, als du vor 19 Jahren das erste Mal in dieses Schulhaus getreten bist? Was waren deine Träume? Was hattest du damals für eine Vorstellung von Morgane im Jahr 2022?
Das ist eine spannende Frage. Da muss ich mich ein bisschen zurückversetzen. Für mich war relativ schnell klar, dass ich ans LG Rämibühl gehen wollte, weil meine Schwester schon an der Schule war und was ich von ihr mitbekommen hatte, hatte mir sehr gefallen. Ich wollte sowieso ans Gymnasium und das LG war für mich die beste Wahl. Es hat mich sehr angesprochen, weil ich Sprachen auch sehr mag.
Meine Schwester war zudem in der AG Theater und ich bin mit der Idee hin, dass ich auch Theater machen möchte. Damals konnte ich mir jedoch auch vorstellen, Anwältin zu werden oder Meeresbiologin oder in eine naturwissenschaftliche Richtung zu gehen. Als ich zwölf war, wusste ich noch nicht, dass ich Schauspielerin werden möchte, sondern dachte an ein herkömmliches Studium.
Welche Momente aus der Schulzeit sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Der Chemieunterricht bei Herrn Frei ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben. Wir hatten auch eine Arbeitswoche in Südfrankreich mit ihm und mit unserem Biologielehrer. Das ist eine bleibende Erinnerung. Wenn ich an die Schulräume zurückdenke, ist es ein angenehmes Gefühl. Viele Unterrichtssituationen tauchen in meinen Erinnerungen auf, auch bei dir und bei Herrn Wenger – und vom Geographieunterricht! Ich habe so einzelne, schöne Erinnerungen an die Schulzeit.
Welche Momente aus der Schulzeit haben die Weichen gestellt für deine jetzige Karriere?
Die AG Theater hat sehr viel dazu beigetragen. Da hat sich bestätigt, dass ich sehr gerne auf der Bühne stehe, in Rollen schlüpfe und mit anderen zusammen improvisiere. Und dann war da tatsächlich die Maturaarbeit, die du betreut hast, in der ich von Grund auf ein komplettes Theaterstück entwickelt habe: Vom Bühnenbild über das Licht bis hin zur Dramaturgie. Während dieser Arbeit meinte meine Freundin, die mich unterstützte, ich solle doch nach der Matura an einer Schauspielschule vorsprechen. Zuvor hätte ich es nicht gewagt, daran zu denken, diesen Weg professionell einzuschlagen. Das war die klarste Weichenstellung, weil ich mich danach, also ein Jahr später, an der Schauspielschule in München beworben habe.
Dein Theaterstück war ja auch ein voller Erfolg. Mit viel Publikum. Ich habe es sehr schön in Erinnerung.
Ich habe es auch sehr schön in Erinnerung. Es gab ja nur eine Vorstellung; die Generalprobe war gleichzeitig auch die Premiere mit allen Requisiten. Ich erinnere mich: Wir hatten ein altes Kissen, welches wir am Ende der Vorführung zerrissen haben. Dieses war aber so alt, dass sich darin eine Unmenge an Staub angesammelt hatte, der nach oben – bis zu den Scheinwerfern – flog und alle fingen zu husten an. Mir tat der Techniker der Aula richtig leid. Er musste alle Scheinwerfer demontieren, um sie zu säubern.
Wir waren auf Maturareise in Berlin. Hättest du dir je vorstellen können, dass du einmal in Berlin leben wirst?
Das war eine sehr schöne Erfahrung, aber mich hat Berlin damals überfordert. Es war schön, mit der Klasse da zu sein. Ich dachte mir aber, dass ich niemals in Berlin leben könnte. Die Stadt ist so riesig, so laut und mancherorts auch schmutzig. Lustigerweise kam das dann trotzdem so, dass ich jetzt in Berlin lebe.
Hast du noch Kontakt zu deinen alten Mitschülerinnen und Mitschülern?
Ja, ich habe zu einigen noch Kontakt. Besonders engen Kontakt habe ich zu zwei Mitschülerinnen. Dieser hat sich über die ganze Zeit gehalten. Ich habe auch noch Kontakt zu Mitschülerinnen meiner Schwester. Unsere Freundeskreise haben sich irgendwann überschnitten. Vor zwei Jahren haben wir eine Klassenzusammenkunft organisiert. Ich habe auch noch sporadisch Kontakt zu ein paar Herren aus meiner ehemaligen Klasse.
Nahmst du eine Auszeit nach der Matura oder bist du direkt nach München gegangen?
Ich habe zuerst ein Semester Musikwissenschaften an der Universität Zürich studiert, war aber auch ein paar Mal in Israel – ich war damals in einer Fernbeziehung mit einem Israeli. So kam es, dass ich ein Semester Hebräisch studierte. Die Zeit könnte man jedoch eher als Feldstudium in Israel bezeichnen; den Präsenzunterricht an der Uni habe ich etwas vernachlässigt.
Aber ein paar Vorlesungen waren schon sehr interessant. Während meines Israelaufenthalts wusste ich bereits, dass ich nach München gehen werde. Das Vorsprechen, das oft in drei Runden durchgeführt wird, hatte bereits am Anfang des Jahres respektive noch im Dezember des Maturajahres stattgefunden.
Welche Momente nach der Schulzeit haben dich besonders geprägt?
Die Schauspielschule hat mich auf jeden Fall sehr geprägt und auch das Wegziehen von zuhause. Ich musste mich alleine zurechtfinden in einem neuen Land, niemand hat mir beigebracht, wie eine deutsche Steuererklärung funktioniert oder wie ich mich in Deutschland bei den Behörden anmelden muss. Das war sehr prägend, weil ich mir das alles peu à peu selbst beibringen musste. Dadurch bin ich aber sehr schnell autonom geworden.
Es gab damals zwei Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen von Thomas Schmauser, einem tollen Schauspielkollegen, bei welchen ich mitwirken durfte. Die Mitarbeit an diesen Stücken hat mich sehr geprägt, das war eine tolle Erfahrung. Und schliesslich war der Wechsel zum Film auch prägend: Als ich das erste Mal richtig vor der Kamera stand und gemerkt habe, dass mir das Genre Film auch sehr gefällt.
Wie lange dauert die Ausbildung an der Schauspielschule?
Die Ausbildung dauert offiziell vier Jahre. Man ist aber nur dreieinhalb Jahre fest an der Schule und nachher hat man Intendantenvorspiel. Man reist durch Deutschland und präsentiert sein Können Intendant:innen und Casting Director:innen. Das ist sozusagen der Abschluss. Danach hatten wir noch eine theoretische Prüfung im letzten Semester, aber zu dieser Zeit waren wir schon nicht mehr an der Schauspielschule.
Hast du von der Schulzeit am Literargymnasium für die Schauspielschule etwas mitnehmen können oder war das für dich völlig neues Terrain?
Durch die AG Theater und durch die Maturaarbeit konnte ich vieles mitnehmen. Ich musste auch einmal eine Chemikerin spielen und da war ich sehr froh, dass ich noch mein Chemiebuch hatte. Ich konnte sofort wieder in diese wissenschaftliche Welt eintauchen und war sogar froh, mein Gehirn wieder einmal auf eine andere Art zu benutzen. Im Studium brauchte ich mein mathematisches und naturwissenschaftliches Wissen nicht wirklich. Was auch sehr geholfen hat, war der Deutschunterricht. Da habe ich von meinem Deutschlehrer vieles für die Textanalyse und den Zugang zur Literatur mitnehmen können.
Welche Projekte hast du – auf lange Sicht – für deine Zukunft? Möchtest du auch selbst einmal Regie führen, so, wie du es in deiner Maturaarbeit gemacht hast?
Das ist tatsächlich ein Gedanke, der mich nicht loslässt. Das würde ich sehr gerne machen, wieder einmal Regie führen; oder auch Schauspiel zu unterrichten, würde mich interessieren. Filmregie würde mich auch sehr reizen, aber da müsste ich noch ein Studium machen, weil das auch so viel Technisches beinhaltet: Wie man ein Bild, das man im Kopf hat, so übersetzt, dass man erzählen kann, was man erzählen möchte. Das ist hochtechnisch und da bräuchte ich auf jeden Fall Hilfe. Ich kann mit den Schauspieler:innen arbeiten, aber die technische Seite müsste ich mir noch aneignen.
Wie unterscheiden sich für dich die Arbeit an einer Serie, einem Film oder einem Theater?
Zwischen Theater und Film ist die vorhandene Zeit ein grosser Unterschied. Im Theater kann man mehr experimentieren – wir probten im Minimum fünf Wochen – und man macht den Bogen immer von Anfang bis Ende, man spielt das Stück immer von A bis Z. Bei Filmarbeiten ist meistens alles zerstückelt und nicht chronologisch. Man muss immer selbst den Bogen im Kopf haben. Es kann sein, dass man den Schluss zuerst dreht und dann irgendwo in die Mitte springt und dass eine Szene zwanzig Mal gespielt wird.
Der Unterschied zwischen Film und Serie: Wenn man eine Miniserie dreht, hat man manchmal mehr Zeit zur Verfügung. Wenn ich z. B. eine Nebenfigur spiele, habe ich mehr Zeit, die Rolle über einen längeren Bogen zu erzählen. Ich muss aber auch im Kopf haben, in welcher Folge ich mich gerade befinde, welchen Weg meine Figur in dem Moment schon gemacht hat. Es ist vor allem die Länge, die unterschiedlich ist. An einer Serie arbeiten wir meistens länger als an einem Film, aber es kommt auch darauf an, was für eine Rolle man hat. In einer Film-Hauptrolle hat man mehr zu tun als in einer Nebenrolle in einer Serie.